9288 km hinter Moskau liegt Wladiwostok. Die längste Bahnstrecke der Welt endet hier. Das macht die Stadt zu etwas besonderem. Für mich war sie immer so etwas wie das Ende der Welt. Hier an der Grenze zu Nordkorea und China bin ich vor ein paar Tagen angekommen. Heute ist der 14. Februar – Valentinstag.  Es war kein einfacher Weg: Plötzlich habe ich Jakutsk verlassen, ganz schnell den Plan der Beringstraßenüberquerung aufgeben müssen. Ich habe mich, nachdem ich die Bedingungen für den Überflug geklärt habe (Anadyr->Nome 16.500 US-Dollar mit Beringair), habe ich mich für die alternative Ausreise mit der Fähre nach Südkorea entschieden.

Die Abreise von Jakutsk ging, wie gewohnt sehr gut, sehr schnell. Als erstes muss man allerdings, 20km außerhalb der Stadt die Lena, einen riesigen Fluss überqueren. Im Sommer führt eine Fähre über die 20km breite Wasserstraße. Im Winter führt die Route einfach per LKW über den zugefrorenen Fluss, der sogar mit Verkehrszeichen versehen und gestreut wird. (Im Frühjahr und im Herbst ist der Fluss sogar gänzlich unpassierbar.

Jakutsk – Kältepol Russlands

Im Winter ist die Lena komplett zugefroren. Im Sommer überquert man sie per Fähre, im Herbst und Frühling überhaupt nicht.
Im Winter ist die Lena komplett zugefroren. Im Sommer überquert man sie per Fähre, im Herbst und Frühling überhaupt nicht.

Jakutsk ist auch der Kältepol Russlands. Die Kälte macht das Leben hier ausgesprochen schwer. Autos werden provisorisch doppelverglast, Gebäude auf dem Permafrostboden auf Stelzen gebaut, dass der Untergrund nicht anschmilzt und die Häuser einsinken. Oberhalb dieser Stelzen allerdings, gleicht Jakutsk dem restlichen Russland.

Ein Denkmal für Josef Stalin in Jakutsk.
Ein Denkmal für Josef Stalin in Jakutsk.

Die Kälte macht aber auch Geschäftsmodelle möglich, die wir uns nicht vorstellen konnten. Ein Tiefkühlmarkt ohne Kühllager, ohne Probleme mit der Kühlkette. Ist auch kein Wunder, bei der Temperatur. So sah nämlich die Wettervorschau in den 2 Tagen meines Aufenthaltes aus. Die Aussichten auf minus 44 Grad waren die bisher kältesten meiner Reise.

SMH und Schlafen unterm Stern

Auch die schnelle medizinische Hilfe ist sich nicht zu schade, schnelle Hilfe zu leisten und mich ein paar Kilometer mitzunehmen.

Mit Krankenwagen lässt es sich auch gut trampen.
Mit Krankenwagen lässt es sich auch gut trampen.

Doch immer wieder stand ich mitten im Nichts. Kein Haus, kein Laut, kein Auto. Einfach nur Kalt und ich. Aber keine Verzweiflung. Noch nicht.

Wenn ich reise, dann muss es ja immer schnell gehen. Das heißt auch, alles, was an der Straße erledigt werden kann, spart Zeit.

Doch auch auf meinen Wegen gibt es Durst- oder, wie in diesem Fall Kältestrecken. Ein Tag war so erbärmlich. Naja, seht selbt.

Was man aber hier in der Eiseskälte Sibiriens lernt: Auch die kälteste Nase taut wieder auf. Etwas taub ist sie allerdings immer noch – aber nicht schwarz.

Mit Alexej und Dimitri habe ich viel Zeit verbracht. Es ist immer wieder berührend, wenn Menschen ihr Heim, ihr Leben mit Fremden teilen. Die russische Version von Schwerter zu Flugscharen konnte man derweil draußen vorbeifahren sehen. Draußen Panzer, drinnen Herzlichkeit.

Dann kam meine erste Nacht unter Sternen in diesem Jahr. Leider war es nur ein Ein-Sterne-Hotel. Auch hat der silberne Stern aus Deutschland hier schon den roten Stern aus Moskau abgelöst. Aber dafür war die Temperatur rekordverdächtig. Die Extreme liegen in Russland eben sehr nah nebeneinander. Draußen auf der Straße waren es dann nur noch 30 Grad – minus. Glatte 70 Kelvin Temperaturunterschied.

Irgendwo an der Straße haben wir am Pamiantnik angehalten. Dieses Denkmal erinnert wohl hier, wo Moskau wohl mehr eine Legende, nicht mal ein Schatten hinterm Horizont ist an seine Existenz. Denkmäler gehören eben zu Russland, wie Lüttich zu Eisleben.

Wladiwostok – Ende der Transsibirischen Eisenbahn

Svenja und ich am Denkmal für die Strecke Moskau-Wladiwostok.
Svenja und ich am Denkmal für die Strecke Moskau-Wladiwostok.

Nach 3 Tagen und 3000 Kilometern bin ich nun aber doch endlich in Wladiwostok, dem südöstlichen Ende Russlands, angekommen.

Eine Großstadt, sehr bergig, an fast allen Seiten von Meer umgeben. Sehr beeindruckend sieht es aus, dieses Meer. Zugefroren. Der Wegweiser beweist, Europa ist weit weg. Er bescheinigt die Mitte zwischen Paris und Havanna. Ob ich diese Havanna auf dieser Reise noch zu Gesicht bekomme, bleibt offen. Auf jeden Fall bescheinigt das Schild auch, dass wenigstens Peking halbwegs nah liegt.

Ein Muss, wenn man hier ist, ist der Besuch auf dem Bahnhof, an dem nach einer Woche Fahrzeit die Züge aus Moskau ankommen. Ein Ticket kostet übrigens 17.000 Rubel, etwas über 200 Euro.

Immer wieder zieht es mich in Kirchen. Dort fühle ich mich heimisch. Man kommt zur Ruhe, erlebt Einkehr und kann Architektur und Kunst wirken lassen. Und man glaubt es kaum, aber auch in Wladiwostok gibt es eine lutherische Kirche. Besonders der schlechte Petrof-Flügel hat es mir angetan. Ich durfte nach Herzenslust drauf spielen. Das fehlt mir so oft, das Musizieren. Bei der Kälte ist es auch oft schwierig.

Denkmal für Tramper

Auch Luther trifft man in der Kirche in Wladiwostok an.
Auch Luther trifft man in der Kirche in Wladiwostok an.

Hier, mitten in der Stadt habe ich übrigens das erste Tramperdenkmal meines Lebens gesehen. Endlich wird diese, so vielfältige, sinnvolle, soziale und ökologische Art des Reisens gewürdigt. Lange überfällig war diese Anerkennung des goldenen Daumens.

In Wladiwostok weiß man man Tramper zu würdigen.
In Wladiwostok weiß man man Tramper zu würdigen.

Die Fähre nach Korea (und weiter nach Japan) verlässt einmal wöchentlich den Hafen von Wladiwostok. Leider fiel sie gerade in dieser Woche aus. Das heißt eine Woche warten, auf das nächste Schiff.
Es ist mir immer wieder beim Reisen passiert, dass die Weiterfahrt an Häfen stoppte. Am persischen Golf ging es nicht nach Dubai, in der Türkei nicht nach Zypern, in Baku nicht nach Kasachstan (und dann dort 5 Tage nicht an Land), in Georgien nicht in die Ukraine. Immer wieder das selbe und trotzdem nehme ich es immer wieder in kauf, das Warten, die Entschleunigung, das Verschnaufen. Vielleicht reise ich auch sonst einfach zu schnell, zu unruhig. Auf jeden Fall ziehe ich das Schiff, die ökologische Art zu reisen, dem Flugzeug, was auch in diesem Fall wieder billiger ist, als die Fähre, dem Flug vor.

Abreise mit der Fähre nach Süden hoffentlich bald

Am 17. Februar werde ich nun Russland endlich verlassen können. Bis dahin erwarten mich noch Schwanensee, verschiedene Konzerte, Eislaufen mit Mascha, Mittagessen mit Dmitrij.

Allein das Hostel macht etwas Sorgen. Superzentral gelegen, nicht weit von Hafen und Bahnhof, kostet es 7,50 Euro und ist sehr nett angelegt mit seinen lauschigen 14-Bett-Zimmern. Allein die Mitbewohner sind gewöhnungsbedürftig. Allesamt abgefuckt, wie nur möglich. Immer besoffen, sehr laut, sehr nah, sehr stinkend. Lange habe ich die Grausamkeit des Alkohols nicht mehr so nah gespürt.

Aber ein Lichtblick gibt es dennoch. Es sind immerhin nur 0 Grad. Schon mal besser als in Jakutsk.

Wer noch mehr über Wladiwostok lesen möchte, findet dazu auch bei Gerhard von Andersreisen ein paar interessante Artikel:

Alle anderen Artikel von Gregor findet Ihr in den Artikel-Empfehlungen hier drunter.

Posted by Gregor Majewski

Hi, ich bin Gregor und schreibe hier auf Rooksack über meine Abenteuer per Anhalter in der Welt. Ich mache jedes Jahr einen längeren Trip und schreibe hier für euch. Wenn ihr mehr davon lesen wollt, dann folgt uns doch auf Facebook, Twitter oder abonniert uns per E-Mail!

2 Comments

  1. Mel (worldwhisperer) Februar 15, 2015 at 19:17

    Ich lese schon seit Anfang an deine Tramping berichte.
    Das Denkmal ist klasse. Hatte auch nicht gewußt dass es so etwas gibt.

    LG
    Mel

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  2. Marion Hunsinger/ Horst Bach Februar 15, 2015 at 21:26

    lieber Gregor
    sei ganz lieb und herzlich aus der Heimat gegrüßt!
    wir verfolgen mit Hochspannung Deine Berichte und sind sehr angetan. Hochachtung zu Deinen Trampleistungen, dazu gehört eine Menge Portion Mut und Idealismus.
    Aber das ist Dir ja eigen.
    Bei uns z.Zt. nichts weltbewegendes. Am 14. 2. war Kirchenfasching – die Lotterstädter haben einmal mehr ihr Bestes gegeben. Das ist auch so ein Unternehmen wo viel Zeit und Einstellung zur Sache gefragt sind.
    Man muss Spaß und Freude daran haben.
    Wir hoffen, dass Deine Überfahrt gut gelingt und Du vor allem gesund bleibst und wohlbehalten zurück nach Hause kommst.
    Allzeit einen guten Daumen und toitoitoi
    Marion und Horst

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